Die Caritas, die für den Rechtsschutz von Asylsuchenden in der Westschweiz zuständig ist, prangert die Grenzen des Systems an. Die tatsächliche Dauer der Frist wird kontrovers diskutiert. In Kürze :

° Caritas warnt vor den Grenzen der Beschleunigung von Asylverfahren und befürchtet noch kürzere Fristen.
° Die Organisation ist für den Rechtsschutz von Asylsuchenden in der französischsprachigen Schweiz zuständig.
° Das SEM verteidigt die Maßnahmen, die seit 2019 eingeführt wurden und das System entlasten.
° Polemik über die Zahlen: Das für den Maghreb eingeführte 24-Stunden-Verfahren dauert im Durchschnitt 22 Tage.

Am 5. Juni 2016 nahmen zwei Drittel der Schweizer eine umfassende Reform des Asylwesens an. Diese ist seit 2019 in Kraft und zielt darauf ab, das System durch kürzere Verfahren zu entlasten. Die Idee dahinter ist, dass die Fälle derjenigen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, schnell entschieden werden. Während in Bern Bestrebungen laut werden, die Fristen weiter zu beschleunigen, schlägt die Caritas Alarm. In einer Stellungnahme, die wir einsehen konnten, warnt sie, dass das System „an seine Grenzen stößt“.

Wenn die Stimme der Caritas zählt, dann deshalb, weil die Organisation in diesem System eine entscheidende Rolle spielt. Um die Verfahren trotz der kürzeren Fristen fair zu gestalten, wurden flankierende Maßnahmen wie die erweiterte Rechtsvertretung eingeführt. Die Caritas ist vom Bund beauftragt, diese Aufgabe in der Westschweiz zu übernehmen, insbesondere im Bundesasylzentrum (BAZ) in Boudry.

„Obwohl es schwierig ist, verletzliche Personen in so kurzer Zeit zu identifizieren, werden heute dennoch zusätzliche Beschleunigungen gefordert und umgesetzt“, schreibt die Organisation. Es wird jedoch „nirgends erwähnt, dass im Gegenzug zu diesen Beschleunigungen zusätzliche Maßnahmen zwingend notwendig sind, um allen Bedürftigen den Zugang zum Asyl zu ermöglichen“.

Die Caritas nennt Probleme mit dem 24-Stunden-Verfahren, das Asylsuchende aus Staaten mit einer sehr niedrigen Asylgewährungsrate, wie den Maghreb-Staaten, regeln soll. Ein weiteres Problem ist der eingeschränkte Zugang zu medizinischen Untersuchungen, der es den Betroffenen erschweren würde, ihre Beschwerden innerhalb der vorgegebenen Zeit zu beweisen.

Die Caritas fordert, das System besser auf gefährdete Personen abzustimmen. Dies würde durch die Einführung einer Vorprüfung der Verletzlichkeit als ersten Schritt in jedem Verfahren geschehen. Die Organisation fordert außerdem einen Austausch zwischen medizinischem Personal und Rechtsvertretung.

Die Antwort des SEM zur Beschleunigung der Asylverfahren

Angesichts der Kritik von Caritas verteidigt sich das SEM (Staatssekretariat für Migration). Bezüglich der Erkennung von verletzlichen Personen erklärt es: „Alle Asylsuchenden haben vom ersten Tag an Zugang zu medizinischer Versorgung, selbstverständlich auch die Personen im 24-Stunden-Verfahren. Bei somatischen oder psychischen Beschwerden können sie sich an den Gesundheitsdienst „Medic-Help“ in den Bundeszentren für Asylsuchende wenden.“

Sein Sprecher fügt hinzu, dass den Asylsuchenden nach ihrer Ankunft in einem DAC eine erste freiwillige medizinische Untersuchung angeboten wird, bei der mögliche Krankheiten erkannt und beurteilt werden können. „Bei komplexeren medizinischen Problemen werden die Asylsuchenden von einem Partnerarzt untersucht und behandelt. In dringenden Fällen werden sie in ein Krankenhaus überwiesen“.

Bezüglich einer möglichen weiteren Beschleunigung der Verfahren (ähnlich dem bereits eingeführten „24-Stunden-Verfahren“) betont das SEM: „Die Asylgesetzrevision 2019 hatte zum Ziel, möglichst kurze und rechtsstaatliche Asylverfahren zu gewährleisten. Asylsuchende sollen so schnell wie möglich erfahren, ob sie Schutz erhalten oder das Land verlassen müssen. Das SEM optimiert seine Verfahren deshalb laufend“.

Er sagte: „Das 24-Stunden-Verfahren ist eine Weiterentwicklung der bisherigen Maßnahmen, um die Verfahren weiter zu beschleunigen. Aber es betrifft derzeit ausschließlich Personen aus den Maghreb-Staaten.“ Diese erfüllen die Kriterien in der Tat fast nie. Laut SEM wurde Marokko nur in 0,1% der Fälle Asyl gewährt. Bei Tunesien waren es 0,2%, bei Algerien 0,7%.

Das rechte Zentrum als Schiedsrichter

Diese Spannung zwischen dem SEM und der Caritas ist nicht neu. Sie durchdringt auch die parlamentarischen Debatten zwischen einer Linken, die das System zu hart findet, und der SVP, die es zu lasch findet, mit der rechten Mitte als Schiedsrichterin.

„Ich respektiere natürlich die Position der Caritas“, reagiert Jacqueline de Quattro (PLR/VD), die sich regelmäßig zu diesem Thema äußert. Aber man muss zwischen Prinzipien und der Realität unterscheiden. Denn nein, Asyl ist kein „Recht für jede Person in Not“. Es ist denjenigen vorbehalten, die bestimmte Kriterien erfüllen“.
Ihrer Meinung nach ist dies der Kern des Problems. „Im Gegenzug für die Beschleunigung der Verfahren wurde die Rechtsvertretung der Asylsuchenden ausgeweitet. Und selbst wenn sie keine Chance auf Asyl haben, hat jeder vom ersten Tag an Anspruch auf kostenlose medizinische Behandlung. Wenn man will, dass verletzliche Menschen richtig und schnell versorgt werden können, muss man den Missbrauch bekämpfen. Und daher zunächst einmal zugeben, dass es sie gibt“.

Er zitiert die Zahlen des SEM zu den Maghreb-Staatsangehörigen: „Von 1000 Asylsuchenden erhält nur einer Asyl. Die anderen 999 verstopfen das System. Es besteht die Gefahr, dass diejenigen, die es am nötigsten haben, die Unterstützung der Bevölkerung verlieren.“

Das Verfahren von „24 Stunden“ dauert ... 22 Tage

Wenn man über die Bearbeitungsdauer von Verfahren spricht, muss man sich die Zahlen aus der Praxis ansehen, denn es gibt Unterschiede zwischen Theorie und Praxis.

Vor der Einführung des neuen Asylsystems im Jahr 2019 schwankte die durchschnittliche Verfahrensdauer zwischen 250 und 466 Tagen (im Zeitraum 2015-2018). Seit 2021 hat sich die Geschwindigkeit der Bearbeitung von Asylanträgen mehr als verdoppelt. „Das Ziel, über 60% der Asylgesuche zu entscheiden, ohne die Frist von 140 Tagen zu überschreiten, wurde erreicht“, erklärt das SEM.

Die Realität der sogenannten „24-Stunden“-Verfahren ist noch überraschender. Nach einer Testphase, die 2023 in Zürich durchgeführt wurde, wurde sie 2024 auf das ganze Land ausgeweitet. Und anders als der Name vermuten lässt, dauert diese nicht 24 Stunden, sondern durchschnittlich 22 Tage. Auch das gesendete Signal scheint nicht gefruchtet zu haben. Die Zahl der Anträge aus dem Maghreb ist nicht wirklich zurückgegangen.

Source : Radio Lac